Akupunktur bei Schwangerschaftsübelkeit

Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft können eine der größten Herausforderungen in den ersten Monaten sein. Was oft als „harmlose Morgenübelkeit“ abgetan wird, kann betroffene Frauen körperlich wie seelisch stark belasten. Die Energie ist im Keller, das Vertrauen in den eigenen Körper geschwächt, und die Freude auf das Baby? Verdrängt von der täglichen Frage: Wie soll ich so durch die nächsten Wochen kommen?

Viele suchen nach sanften, aber wirksamen Alternativen zur medikamentösen Behandlung. Genau hier setzt die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) an mit einem tiefen Verständnis für die inneren Zusammenhänge von Körper, Geist und Emotion. Und mit einer Methode, die seit Jahrtausenden in diesem Kontext eingesetzt wird: Akupunktur.

 

Was die TCM unter Schwangerschaftsübelkeit versteht

In der westlichen Medizin bleibt die Ursache der Schwangerschaftsübelkeit oft unklar. Hormonelle Veränderungen, Geruchsempfindlichkeit, individuelle Konstitution, all das wird diskutiert, selten erklärt.
Die TCM liefert hier ein präziseres Modell. Sie sieht die Ursache der Beschwerden vor allem in einer Disharmonie des Funktionskreises Milz und Magen. Die Milz, zuständig für die Umwandlung von Nahrung in Energie, ist häufig geschwächt, besonders durch emotionale Belastung, falsche Ernährung oder vorbestehende Konstitution. Dadurch bildet sich Feuchtigkeit und Schleim, die wiederum das Magen-Qi blockieren. Dieses Qi sollte eigentlich nach unten fließen, wenn es rebelliert, steigt es auf: als Übelkeit und Brechreiz (Sun Peilin, Schmerzbehandlung mit chinesischen Arzneien und Akupunktur, S. 308; Dr. med. Georg Weidinger, Die Heilung der Mitte, S. 139, 160).

Auch emotionale Faktoren wie Frustration, unterdrückte Gefühle oder innerer Druck stören die Harmonie von Milz und Leber und können Beschwerden im oberen Verdauungstrakt verstärken (Sun Peilin, S. 252, 342).

Ungesunde Ernährung insbesondere viel kalte, rohe Speisen, Milchprodukte oder stark gewürzte Gerichte schwächen zusätzlich das Verdauungssystem und begünstigen die Bildung von pathogener Feuchtigkeit (Dr. med. Georg Weidinger, Die Heilung der Mitte, S. 142, 150).

 

Die Rolle der Akupunktur: Präzise, effektiv, risikofrei

Akupunktur bietet in diesem Fall nicht nur eine symptomatische Linderung, sondern setzt gezielt an der zugrunde liegenden energetischen Dysbalance an. Besonders der Punkt Perikard 6 (Pe.6 – Neiguan) hat sich hier bewährt. Er lässt das Qi absinken, beruhigt den Magen und wirkt sowohl bei Schwangerschaftsübelkeit als auch bei Erbrechen nach Operationen oder Chemotherapie; seine Wirkung ist durch mehrere Studien belegt (Dr. med. Gabriel Stux, Akupunktur Lehrbuch und Atlas, S. 20, 50, 80).

Weitere Punkte wie Ma.36 (Zusanli) oder Ren 12 (Zhongwan) stärken Magen und Milz, regulieren das Verdauungssystem und fördern den Qi-Fluss. 

 

Wissenschaftlich fundiert, schulmedizinisch anerkannt

Akupunktur bei Schwangerschaftsübelkeit ist nicht nur traditionsreich, sondern inzwischen auch gut untersucht. Bereits 1997 erkannte die National Institutes of Health (NIH) in den USA die Wirksamkeit bei Übelkeit und Brechreiz offiziell an (Stux, S. 20). Die FDA stufte Akupunkturnadeln bereits 1996 in eine niedrigere Risikokategorie um ein deutliches Signal für ihre Sicherheit (Stux, S. 19). Moderne Studien zeigen, dass Akupunktur über bestimmte Nervenbahnen zentrale Regulationszentren im Gehirn aktiviert – was zur Ausschüttung körpereigener Schmerz- und Beruhigungshormone führt (Stux, S. 24–26, 248).

 

Moxibustion und Akupressur: Ergänzende Methoden für Wärme und Selbsthilfe

Neben der Nadelung wird in der TCM auch Moxibustion eingesetzt, das gezielte Erwärmen von Akupunkturpunkten mit Beifußkraut. Besonders bei Schwäche, innerer Kälte oder Milz-Yang-Mangel kann dies die Energie tonisieren und den Verdauungstrakt harmonisieren (Stux, S. 61–72; Sun Peilin, S. 348). Häufig genutzte Punkte sind Ren 4 (Guanyuan) und Ren 6 (Qihai).

Für die Zeit zwischen den Behandlungen oder wenn keine Therapeuten greifbar sind, bietet sich Akupressur als Selbsthilfe an. Pe.6 lässt sich z. B. gut unterwegs drücken und massieren, ideal bei akuter Übelkeit im Alltag (Stux, S. 65).

 

Fazit: Ganzheitlich denken, gezielt handeln

Die TCM bietet bei Schwangerschaftsübelkeit weit mehr als bloße Symptomlinderung. Sie fragt nicht nur: Wo tut es weh?, sondern: Warum ist dein System aus der Balance geraten?

Dabei spielt nicht nur die Akupunktur eine Rolle. Lebensführung, Ernährung, Rhythmus, all das fließt mit ein. Wie Dr. Georg Weidinger betont: 80 % der chinesischen Medizin ist Lebensstil, 10 % Akupunktur, 10 % Kräuter (Weidinger, Die Heilung der Mitte, S. 122).

Wer bereit ist, hinzuschauen und den Körper nicht nur als Funktionssystem, sondern als Spiegel innerer Zustände versteht kann aus Übelkeit einen Wendepunkt machen.
Nicht nur für sich selbst.
Sondern auch für das neue Leben, das entsteht.

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Michael

Heilpraktiker, Traditionelle Chinesische Medizin, Teeliebhaber

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